Drei Jahre nach Roe v. Wade: Angriff auf reproduktive Rechte ist global – und wir müssen global dagegenhalten

24. Juni 2025

Heute vor drei Jahren, am 24. Juni 2022, hat der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten das historische Urteil Roe v. Wade gekippt – und damit das verfassungsmäßig garantierte Recht auf Schwangerschaftsabbruch beendet. Was viele für unvorstellbar hielten, wurde Realität: Millionen Frauen verloren über Nacht das Recht, selbst über ihren Körper zu entscheiden.

Diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA war nicht nur ein dramatischer Rückschritt in einem Land, das sich gern als Hüterin von Freiheit und Menschenrechten inszeniert – sie war auch ein Weckruf. Denn der Angriff auf reproduktive Rechte ist kein rein amerikanisches Phänomen. Er ist Teil eines globalen Backlashs gegen Frauenrechte, gegen Gleichstellung, gegen Selbstbestimmung.


Ein Blick in die USA zeigt, wie schnell grundlegende Rechte ausgehöhlt werden können – und wie brutal die Folgen sind. Seit der Aufhebung von Roe haben zahlreiche Bundesstaaten Schwangerschaftsabbrüche verboten oder so stark eingeschränkt, dass sie faktisch unerreichbar wurden – selbst im Fall von Vergewaltigung oder Lebensgefahr für die Schwangere. Ärzt:innen, die helfen wollen, werden verfolgt, eingeschüchtert oder kriminalisiert. Frauen, die Hilfe suchen, müssen oft hunderte Kilometer reisen – oder können sich medizinische Versorgung schlicht nicht leisten. Der Staat greift bis in die intimste, persönlichste Entscheidung ein, die ein Mensch treffen kann – und macht den weiblichen Körper zum Objekt politischer Kontrolle.


Widerstand ist da

Doch der Widerstand ist da – und er zeigt sich auf beeindruckende Weise. Laut aktuellen Zahlen aus den USA wurden im Jahr 2024 rund 1,14 Millionen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen – mehr als in den Jahren zuvor. Besonders auffällig: Der Anteil der medikamentösen Abbrüche per Telemedizin ist massiv gestiegen. Fast ein Viertel aller Abbrüche fand 2024 via Telehealth statt – ein Zuwachs von 19 % innerhalb eines Jahres. In acht Bundesstaaten gibt es mittlerweile sogenannte Shield Laws, die Ärzt:innen und Helfer:innen vor juristischer Verfolgung aus anderen Bundesstaaten schützen. Diese Entwicklungen zeigen: Wo Rechte eingeschränkt werden, entstehen neue solidarische Strukturen. Aber das entbindet uns nicht von der politischen Verantwortung, dort gegenzusteuern, wo wir es können – auch in Europa.


Denn wer glaubt, der Rückschritt betreffe „nur“ die USA, irrt. Auch in Europa bröckeln reproduktive Rechte – oft schleichend, aber systematisch. In Polen ist der Zugang zum Schwangerschaftsabbruch einer der restriktivsten in der gesamten EU, mit dramatischen Konsequenzen für die körperliche und psychische Gesundheit vieler Frauen. In Ungarn führt Viktor Orbán seinen Kreuzzug gegen sogenannte „Gender-Ideologie“ – und nutzt „Familienschutz“ als Deckmantel für autoritäre Eingriffe in Freiheitsrechte. In Italien regiert mit Giorgia Meloni eine Premierministerin, die sich offen auf antifeministische Bewegungen bezieht – auch hier werden feministische Errungenschaften zur Zielscheibe.

Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat vor drei Jahren das verfassungsmäßig garantierte Recht auf Schwangerschaftsabbruch beendet.

In Österreich ist Schwangerschaftsabbruch noch immer im Strafgesetzbuch geregelt

Und auch in Österreich dürfen wir uns nichts vormachen: Noch immer ist der Schwangerschaftsabbruch nicht entkriminalisiert, sondern im Strafgesetzbuch geregelt – und nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Noch immer müssen Frauen den Eingriff selbst bezahlen. Noch immer gibt es keine flächendeckende Versorgung – vor allem in ländlichen Regionen. Noch immer werden Patientinnen und Ärzt:innen vor Kliniken von Abtreibungsgegner:innen belagert – ungeachtet der psychischen Belastung und ungeachtet der Würde der Betroffenen. Es ist eine stille, aber systematische Vernachlässigung reproduktiver Rechte – und sie ist politisch.

Dabei sollte eines selbstverständlich sein: Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung ist kein verhandelbarer „gesellschaftlicher Kompromiss“. Es ist ein Menschenrecht. Wer nicht selbst über seinen Körper entscheiden kann, ist nicht frei. Und wer reproduktive Rechte aushöhlt, greift Frauen in ihrer grundlegenden Würde an.


Als Feministin, als außenpolitische Sprecherin, als Frau und als Parlamentarierin sage ich klar: Es braucht den politischen Mut, hier zu handeln – nicht nur in Sonntagsreden, sondern in der Gesetzgebung:


Die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch müssen von der Sozialversicherung übernommen werden, wie bei jeder anderen medizinischen Leistung.

  • Es braucht eine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung.
  • Der Eingriff muss aus dem Strafgesetzbuch gestrichen und rechtlich neu geregelt werden – nicht als Straftat, sondern als Gesundheitsversorgung.
  • Und es braucht gesetzlichen Schutz vor Einschüchterung – durch Schutzzonen rund um Kliniken, in denen Menschen ohne Angst medizinische Hilfe in Anspruch nehmen können.


Rückschritt werden nicht hingenommen

Die Angriffe auf reproduktive Rechte sind Teil einer globalen Strategie autoritärer, antifeministischer Bewegungen. Sie reichen von Trump über Orbán bis zur FPÖ. Wer dazu schweigt, macht sich mitschuldig. Wer Rechte für selbstverständlich hält, wird zusehen müssen, wie sie verloren gehen.


Ich kämpfe dafür, dass wir diesen Rückschritt nicht hinnehmen – weder in den USA, noch bei uns in Europa. Reproduktive Gerechtigkeit ist die Voraussetzung für echte Gleichstellung. Und sie beginnt mit einer einfachen Wahrheit:


Mein Körper. Mein Leben. Meine Entscheidung.

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