Nicht noch ein Name auf der Liste: Warum wir jetzt den Mut zu einem strengen Waffengesetz brauchen
Ein Amoklauf in Graz, ein Femizid in Maria Alm, ein Doppelmord in Perg – alle mit legalen Schusswaffen verübt. Diese Taten sind keine Einzelfälle, sondern Teil eines tödlichen Musters, das Frauen und Kinder in unserem Land das Leben kostet. In meiner heutigen Plenarrede ging es um Wut, Trauer - und um politische Verantwortung. Es geht um Mut. Den Mut, tödliche Schlupflöcher im Waffengesetz endlich zu schließen.
Der 10. Juni 2025 hat sich tief in das kollektive Gedächtnis unseres Landes eingebrannt. In einem Grazer Gymnasium erschießt ein Mann neun Schülerinnen und Schüler sowie eine Lehrerin. Eine Schule, eine Stadt, ein ganzes Land stehen unter Schock. Familien wurden zerrissen. Eltern mussten ihre Kinder beerdigen. Zehn Leben ausgelöscht – durch einen Täter, der beim Bundesheer wegen psychischer Auffälligkeiten als untauglich galt, aber dennoch legal eine Schusswaffe erwerben konnte.
Doch dieser Tag steht nicht für sich allein.
Am 3. Mai 2025 wird in Maria Alm eine 34-jährige Frau von ihrem Ex-Partner auf einem öffentlichen Parkplatz erschossen – mit einer legal registrierten Waffe.
Am 21. September 2024 tötet ein Mann in Perg seine Ehefrau und die gemeinsame Tochter. Mit einer legalen Schusswaffe.
Am 24. Februar 2024 erschießt in Eschenau ein Mann seine Lebensgefährtin. Mit einer legalen Schusswaffe.
Diese Liste ließe sich leider fortsetzen – quer durchs ganze Land, durch alle Bundesländer. Quer durch alle Gesellschaftsschichten.
Und sie zeigt ein Muster: Die meisten Opfer sind Frauen. Frauen, die gehen wollten. Die „Nein“ gesagt haben. Frauen, die sich entziehen wollten – von dem, was manche Männer immer noch für ihr Recht halten: Kontrolle, Besitz, Verfügbarkeit.
Die Täter: Männer – Partner, Ex-Partner, Ehemänner, Väter.
Fast jede zweite Frau, die in Österreich ermordet wird, stirbt durch eine Schusswaffe – meist legal besessen. Und viele Täter waren zuvor auffällig.
Diese Taten sind keine Einzelfälle. Keine Ausnahmen.
Und hinter jeder Zahl steht ein Mensch: eine Mutter, eine Tochter, eine Freundin, eine Kollegin. Eine Frau, die geliebt, geschätzt, gebraucht wurden. Eine Frau, die fehlt.
Mich macht das – als Frauensprecherin und als Frau – traurig und wütend.
Und ja, diese Wut ist feministisch.
Denn ich will nicht, dass wieder eine Frau stirbt, weil wir heute geschwiegen haben, statt Taten zu setzen.
Weil wir nicht den Mut hatten, die tödlichen Schlupflöcher in unserem Waffengesetz zu schließen.
Und nein, Herr Bundesminister Karner, ich widerspreche Ihnen in aller Deutlichkeit und Entschiedenheit - diese Lücken kennen wir nicht erst seit 4 Wochen. Nein: Seit Jahren warnen Organisationen, Expert:innen und auch wir Grüne: Der Zugang zu Schusswaffen in Österreich ist zu einfach, zu sorglos, zu gefährlich. Wir bringen deshalb seit über 20 Jahren parlamentarische Initiativen im Parlament ein, um diese tödlichen Schlupflöcher zu schließen.
Und wir lassen nicht locker – deshalb haben wir heute im Parlament diesen Dringlichen Antrag eingebracht.
Denn die Frage ist längst nicht mehr ob etwas getan werden muss – sondern: wann, wie und mit welchem Mut?
Ich habe in der Debatte viel gehört: dass geprüft wird, evaluiert, verhandelt.
Aber wissen Sie, was ich nicht gehört habe?
Mut.
Mut zu sagen: Wir stellen den Schutz von Menschen über das private Interesse an einer Waffe.
Mut zu sagen: Ein Kinderleben zählt mehr als das Hobby mit dem Gewehr.
Mut zu sagen: Schusswaffen haben in Wohnungen, Häusern, Nachtkästchen – in keinem Zuhause – etwas verloren.
Nicht in der Nähe von Wut, Angst, Eifersucht oder Ohnmacht.
Fast 100.000 Menschen haben eine
Petition von aufstehn.at für ein Schusswaffenverbot für Privatpersonen
unterschrieben. Sie haben kein Mandat, keine PR-Agentur, kein Mikrofon am Redner:innen-Pult hier im Parlament.
Aber sie haben etwas, das wir hier dringend brauchen: Klarheit.
Sie sagen uns:
Wir wollen keine Gesellschaft, in der Waffen Normalität sind.
Wir wollen nicht zuschauen, wie sich Angst verbreitet.
Wir wollen nicht in einem Land leben, in dem ein Waffenschein mehr zählt als das Leben eines Kindes oder einer Frau.
Ich weiß: Sie werden unseren Antrag heute ablehnen.
Die einen werfen uns Populismus vor, die anderen sprechen von Anlassgesetzgebung. Von Übertreibung. Sogar von Kulturkampf und von Radikalität.
Aber wissen Sie, was wirklich radikal ist?
Dass immer mehr Frauen in Österreich mit einer legal besessenen Schusswaffe getötet werden – meistens zu Hause.
Dass Kinder in Schulen erschossen werden – mit Waffen, die wir gesetzlich erlaubt haben.
Ich frage Sie:
Ist das wirklich das Land, in dem wir leben wollen?
Ein Land, das drei Tage trauert – und dann zur Tagesordnung übergeht?
Ein Parlament, das redet – aber nicht mutig entscheidet?
Wir Grüne sagen heute klar und deutlich: Waffen gehören nicht in Privatwohnungen. Punkt.
Nicht ins Nachtkästchen. Nicht in den Hobbyraum. Nicht in Wohnzimmer, Schlafzimmer, Garagen.
Nicht in eine Gesellschaft, die sicher sein will.
Waffen schützen nicht. Sie töten.
Wir können nicht alles verhindern. Aber wir können das Risiko für weitere Taten verringern.
Heute liegt das in Ihrer Hand, geschätzte Kolleginnen und Kollegen.
Zeigen Sie Mut.
Stimmen Sie unserem Antrag zu.
Im Namen derer, die keine Stimme mehr haben.
Vielen Dank.
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